Zu Gast in der Destillerie Kohler – Von der Maische zum Brand…
Seit dem letzten Besuch in der Destillerie Kohler sind nun einige Wochen vergangen.
Die Maische hatte nun genügend Zeit, um den Fruchtzucker in Alkohol umzuwandeln.
Deshalb wird das Maischefass mit der Apfelmaische heute wieder geöffnet und gebrannt.
Was ist passiert?
Um festzustellen ob alles ordentlich abgelaufen ist, misst der Brenner erstmal wie hoch der Zuckergehalt ist, je weniger desto mehr Alkohol.
Daran erkennt er, ob der Zucker ordentlich in Alkohol umgewandelt wurde und kann so errechnen, mit wie viel Alkoholvolumen der Brand ungefähr aus der Brennblase kommt.
Wer schreibt der bleibt… und Vorschrift ist es auch
Bevor es losgeht mit dem Brennen, wird jetzt erstmal alles im Brennbuch eingetragen, ganz wichtig, denn hier kontrolliert der Zoll.
Die Brennblase
Die Apfelmaische wird mit einer Pumpe in die Brennblase gepumpt… Die Brennblase ist nichts anderes, als ein beheizbarer Kupferkessel, in dem die Maische über einem Wasserbad gleichmäßig erhitzt wird, um so die leicht flüchtigen Inhaltsstoffe zu verdampfen.
Über eine Einfüll Öffnung wird die Maische in die Brennblase gepumpt. Die Maische hattte beim Einfüllen eine Temperatur von ca. 12° C.
Während des Gärvorgangs entwickelt die Maische weitere Bestandteile wie Aldehyde, Ester und flüchtige, organische Säuren. Alles sind wichtige Aromakomponenten bei Bränden.
Jetzt wird’s heiß
Die Brennblase wird durch das innen- und darunterliegende Wasserbad bis auf 90° C erhitzt.
Alkohol verdampft grundsätzlich schon bei 78,2° C, da es sich aber bei der Apfelmaische um eine „Mischung“ handelt, liegt die Verdampfungstemperatur hier höher, nämlich bei weit über 90° C.
Die Destillation
Beim Destillationsvorgang soll der vergorenen Maische der enthaltene Alkohol Ethanol weitgehend entzogen und konzentriert werden. Gute und für die jeweilige Obstsorte typische Aromakomponenten sollen mit dem Brand erhalten werden, während qualitätsmindernde Nebenbestandteile der alkoholischen Gärung oder unerwünschte Aromen von Mikroorganismen möglichst im Maischerückstand bzw. Nachlauf verbleiben sollen.
Die Flucht beginnt… der Alkohol kondensiert
Bei dem eigentlichen Brennvorgang verdampft der Alkohol und kondensiert auf den kalten Böden, bei dieser Brennblase gleich drei Mal hintereinander.
Die Böden machen den Alkohol reiner, so wird beispielsweise Vodka in Brennblasen mit bis zu 40 Böden hergestellt – und deshalb schmeckt er auch meistens nach nichts 😉
Das Herzstück entsteht… doch Geduld ist gefragt
Die sogenannten flüchtigen Bestandteile der Maische werden beim Erhitzen in den dampfförmigen Zustand umgewandelt und bilden das Destillat, das sich aus drei Abschnitten zusammensetzt, der Fachbegriff dazu ist Fraktionen:
Der Vorlauf
Als erstes verdampfen die leicht flüchtigen Stoffe, die wie Klebstoffe riechen (deshalb werden diese auch Uhu-Ester genannt). Wird der Vorlauf nicht ordendlich abgetrennt, können in Ausnahmefällen schon mal Vergiftungen vorkommen. Der Gründer der Destillerie Kohler, Eberhard Kohler hat mal zu mir gesagt „Woisch, ich lass von dem noch was raus, mach a paar Rosmarinzwoig ausm Garde dazu und reib mir die Boi damit ei wenn se weh dun.“ Eine halbe Flasche hab ich davon noch und was soll ich sagen, er hat Recht, es gibt nichts Besseres :). Ich hoffe Du hast es gut da oben und auch einen ordentlichen Brand dabei 🙂
Der Mittellauf
Das Herzstück eines jeden Brands wird Mittellauf genannt. Er bildet das was letzten Endes (verdünnt) in der Flasche landet, geschmackvoll und den Charakter der jeweiligen Frucht abbildend.
Der Nachlauf
Der Abschluss bildet immer der höhersiedende Nachlauf, dessen Hauptmerkmal die Fuselöle sind. An dieser Stelle kann der Brennvorgang aber dann auch abgebrochen werden.
Viel Material, überschaubarer Ertrag
110 Liter Apfelmaische bringen folgendes Ergebnis:
Bei diesem Apfelbrand ergaben sich ca. 20 – 25 Prozent Vorlauf, 30 Prozent Destillat und ca. 50 Prozent Nachlauf.
Bei guter Qualität der Maische erhält man aus 100 Liter Maische ca. 1 Liter Vorlauf.
Vorlauf ist nichts anderes als die erste verdampfte Maische.
Bei meinem Apfelbrand gab es sogar nur 500 ml Vorlauft *yeaaaaaaaaaaaaah*
Die Qualität der Maische kann man durch gute Vorarbeit positiv beeinflussen, d.h. die gwaschenen Äpfel sollten von sehr guter Qualität sein, Stiele und zu dunkle, vermackte Stellen entfernt werden. Voilà, die Maische ist Top 😉
Tröpfchen für Tröpfchen…
Die ersten Tropfen des gut verwendbaren Brands kommen mit 86 Prozent Volumenalkohol aus der Brennblase und im Mittel ergeben sich im Laufe des Brennens dann 80 Prozent.
Ständig die Finger an dem edlen Tropfen schmeckt man irgendwann, dass die guten Tropfen jetzt anders schmecken und dann beginnt der Nachlauf und der Brennvorgang ist zu Ende.
In der Mitte ist das Beste
Viele Fachbücher beschreiben den Beginn des Nachlaufs mit einer festgelegten Alkoholvolumenzahl. Gute Brenner brauchen das aber nicht, sie schmecken es und nachdem ich vom Vorlauf, vom Brand selbst und vom Nachlauf probieren durfte, ja ohne blind zu werden oder tot umzufallen 😉 kann ich sagen, man schmeckt tatsächlich einen Unterschied. Allerdings wäre ich nie in der Lage zu sagen was was ist…ok den Brand würde ich vielleicht schon erkennen, aber Vor- oder Nachlauf eher nicht.
Unterm Strich bleiben von 110 Litern bester Apfelmaische 1,1 Liter Apfelbrand mit 86 Prozent Alkohol.
Zurück in der Brennblase bleibt ein sehr unschön anzusehender Rest… aber das Beste wurde ja bereits entzogen…
So entstehet der Geschmack…
Jetzt braucht der Brand noch etwas Zeit und Ruhe um neue Aromastoffe bilden zu können und deshalb wird er etwas gelagert. Bei der Lagerung gelangt Luft an das Destillat und bildet so neue Aromastoffe, es wird milder, runder, harmonischer und somit geschmacklich erheblich verbessert.
Wichtig noch zu sagen, dass das Destillate unverdünnt gelagert wird.
Gelagert wird der Brand in ganz unterschiedlichen Gefäßen. Möchte man noch zusätzliche Aromen hinzufügen, sind Holzfässer ganz wunderbar, die zuvor verschiedenartig behandelt wurden. Das Destillat nimmt während der Lagerung Farbe und Geschmack des Holzes an, da Holz porös ist, kann Luft eindringen, was den Reifeprozess ebenfalls beeinflusst und wieder neue Aromen entstehen lässt. Obstbrände werden meist in Glasballons oder Edelstahlbehältern bis zu vier Jahren gelagert.
Der Feinschliff
Nach dem Brennen und der Lagerung hat das unverdünnte Destillat einen Alkoholgehalt von ungefähr 80 Vol.-% und ist somit noch nicht ganz trinkbar. Man fällt zwar nicht tot um oder wird blind, das schädliche Methanol ist ja schon weg, dennoch wäre es für die Destillerie nicht lohnenswert den Brand so hochprozentig zu verkaufen und da wir hier über ein sehr hochwertiges Genussmittel sprechen, muss es noch verkaufsfertig gemacht werden.
Die Alkoholprozente des gelagerten Brands werden also abschließend mit aufbereitetem Bodenseewasser, herabgesetzt. Normales Wasser aus der Leitung würde dazu führen, dass der Brand sofort trüb werden würde.
Je höher umso besser…
Ein fertiges und gut genießbares Destillat hat hierzulande meist zwischen 37,5 Volumenprozent und 40 Vol.-%.
Das Einstellen des Alkoholgehalts muss sehr exakt geschehen, da gesetzlich nur sehr geringe Abweichungen von maximal 0,3 %vol absolut toleriert werden. Gemessen wird der Alkoholanteil indirekt über die Dichte d.h. gemessen wird hier das Verhältnis von Wasser zu Alkohol und der Temperatur. Es gibt amtliche Tabellen, die für die gemessenen Werte Alkoholgehalt und Temperatur die entsprechend bei einer Normaltemperatur von 20°C anzeigen d.h. bei gemessenen 40 vol% und 12°C sind tatsächlich 43,2 vol% Alkohol enthalten. Fertig verdünnte Brände werden oft auch als Edelbrände bezeichnet.
Filtern oder nicht, das ist hier die Frage
Beim Senken des Alkoholgehalts durch Zugabe von weichem Wasser, werden schlagartig winzige Öltröpfchen sichtbar. Was hier entsteht nennt man Öl-in-Wasser-Emulsion und sie bringt eine milchig-weiße Trübung mit sich. Die Färbung beruht also nicht auf einem chemischen Prozess, sondern ist rein physikalischer Natur und nennt sich Louch Effekt.
Wie stark die Trübungen sind ist abhängig von den Inhaltsstoffen des Destillats. Um diesen Effekt zu verhindern, wird das Destillat gefiltert.
Die Filtration wird mittels eines Mikrofilters meist bei sehr niedrigen Temperaturen um den Gefrierpunkt durchgeführt, da in gekühltem Zustand viele trübende Substanzen optisch besser ins Auge fallen. In der Destillerie Kohler wird fast nichts gefiltert… Qualität statt Quantität!
Abfüllung und Etikettierung
Der Brand aber nun fertig und kann in Flaschen gefüllt und etikettiert werden.
In der Destillerie Kohler ist dies alles noch echte Handarbeit.
Bis vor einigen Jahren wurde sogar noch diese Maschine zum Bedrucken der Etiketten eingesetzt…
Heute werden die Etiketten aber in einer Druckerei gedruckt.
Andere Länder, andere Sitten
In Italien und Frankreich dürfen jetzt noch weitere Aromen aber auch Zucker hinzugefügt werden. Das Produkt nennt sich in Frankreich zum Beispiel L’eau de vie – Lebenswasser – auch schön oder?
Leidenschaft und Können
Brennen ist nicht nur ein technischer Vorgang, es bedeutet viel Erfahrung, vor allem Leidenschaft, Können und viel Geduld.
Anfänglich dachte ich immer, huuiii, so ein Brand ist ja nicht günstig. Ich weiß jetzt wie viel Arbeit, Materialeinsatz und Mühe dahinter steckt und wenn Du überlegst, dass aus 110 Liter Maische 1,1 Liter unverdünntest Destillat entsteht, ist das ein überschaubarer Ertrag.
Kleinbrennereien
Ich finde es so lohnenswert kleine und qualitativ hochwertig arbeitende Kleinbrennereien zu fördern und zu unterstützen, deshalb werde ich meine eh schon gut gefüllte Hausbar immer wieder füllen mit weiteren Obstbränden, Stuttgarter Gin und ganz neu Applejack Rey, einem Blend aus traditionell amerikanisch destilliertem Roggenschnaps (Rhye Whiskey) und einem Brand aus Streuobstwiesenäpfel – hierzu gibt’s ganz bald mehr Informationen, darf ihn nämlich als eine der Ersten verkosten und den Brenner dazu exklusiv befragen. Du kannst gespannt sein.
Der Applejack Rey wurde am ersten Aprilwochenende auf dem Berliner Craft Spirits Festival und Du kannst ihn ab sofort auch in Stuttgart kaufen. Also sei wachsam, ich glaube die erste Charge wird schnell weg sein.
So, nun hoffe ich, ich konnte etwas Licht ins Dunkle bringen.
Merci
Mein großer Dank gilt Lars Erdmann, dem Master Destiller der Destillerie Kohler.
Es war mal wieder ein sehr eindrücklicher und lehrreicher Tag, der all meine Fragen beantwortet hat, auch wenn sie ihm vielleicht etwas komisch vorkamen.
Ganz kurz noch zu meinen absoluten Highlights von der Destillerie Kohler, die sind neben den oben genannten
- Roter Paprikalikör – pur oder in einem Cocktail oder einem Gin Tonic spezial
- Stuttgarter Gin – DER Gin für Ginliebhaber, neben unglaublich intensivem Wacholder, wunderbare Zitrusnoten, moosig und sehr spritzig
- Echter Tonkabohnen Geist – einzigartiger Geschmack und pur ganz großartig, aber auch in einem Longdrink wie einem Mai Tai ein Träumchen
Also dann, mach‘s gut, hab eine schöne Zeit und bis bald 🙂
Deine Julia